Internationaler Maßstab: Deutschland vorn
Deutschland praktiziert mit dem neuen Screeningmodell das EU-weit wohl intensivste Früherkennungsprogramm. Kein anderes der relevanten Vergleichsländer sieht ein jährliches Screening und ein Screening ohne obere Altersgrenze vor. Beispiele zum Vergleich:
- Frankreich: Zytologie im Drei-Jahresintervall (Alter 25-65)
- Großbritannien: Zytologie im Drei-Jahresintervall (Alter 25-49) und Fünf-Jahresintervall (Alter 50-64)
- Niederlande: Zytologie im Fünf-Jahresintervall, HPV-Test Fünf- und Zehn-Jahresintervall (Alter 30-60)
- USA: Zytologie allein, HPV-Test allein oder Ko-Testung je nach Vertrag im Drei- bis Fünf-Jahresintervall (Alter bis 65)1
Zukunft: Screening-Erfolg stellt Weichen für das Folge-Modell
Der G-BA hat in der oKFE-RL angekündigt, dass er die Krebsfrüherkennung auf Basis der „Programmbeurteilung und . . . auf der Grundlage des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse . . . weiterentwickeln”2 wird.
Damit bindet der G-BA eine Weiterführung dieses Modells an seinen Erfolg, gemessen insbesondere an: „Teilnahmeraten, Auftreten von Intervallkarzinomen, Anteil falsch-positiver Diagnosen, Sterblichkeit“.3
Die Vorversion des neuen Screeningmodells (Optionsmodell: Wahl zwischen jährlicher zytologischer Untersuchung und HPV-Test im Fünfjahresintervall) legt nahe, dass der G-BA sich im Falle eines Misserfolgs des neuen Screeningmodells im weiteren an den weniger ambitionierten internationalen Standards orientieren wird.
Intervall-Länge: Die medizinischen Folgen des Drei-Jahresintervalls
Nach Studienlage beträgt die Zeit von einer Infektion mit High-Risk-HPV und der Entwicklung von hochgradigen Dysplasien (möglichen Krebsvorstufen) im Durchschnitt acht Jahre.4
Damit ist – unter Einhaltung der vorgesehenen Abklärungsprozesse – nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Möglichkeit einer rechtzeitigen medizinischen Intervention in der Regel gewährleistet.
Das Aufkommen von Intervallkarzinomen ist Teil der Bewertung. Damit räumt der G-BA ein, dass er die Möglichkeit von Intervallkarzinomen nicht ausschließt.
HPV-Prävalenz: Verunsicherung der Frauen
Im Alter ab 35 Jahre liegt die HPV-Prävalenz bei durchschnittlich 4-6 %.5 Aus diesen HPV-Infektionen wiederum entstehen nur zu einer geringen Zahl Dysplasien. Würde man also einen positiven HPV-Test im Screening isoliert betrachten, könnte man sicherlich von einer Beunruhigung der Frauen sprechen.
Korrespondierend zum Primärtest wird aber durch ein positives HPV-Testergebnis ein Abklärungsverfahren eingeleitet. Damit bietet die Ko-Testung insgesamt ein Höchstmaß an Sicherheit.
Die Verbindung von HPV-Infektion und Ausbildung von Krebsvorstufen in einem längeren Zeitraum ist in der Informationsbroschüre der Krankenkasse dargestellt. Sicherlich wird es auch an der Ärztin bzw. dem Arzt sein, durch das Aufklärungsgespräch die Verunsicherung einzudämmen.
„Graues Screening“: Ersatz durch kurative Abstrichuntersuchungen oder IGeL
Es liegt auf der Hand, dass „Graues Screening“ die Bewertung des Screening-Erfolges verfälscht: Falls die Ergebnisse des „Grauen Screenings“ nicht in die Dokumentation einfließen, würde sich dem Anschein nach die Inzidenz verringern und positive Befunde aus dem „Grauen Screening“ als Erfolg des Regel-Screenings gewertet werden.
Bisher liegen keine Evidenzkriterien dafür vor, dass sich das Drei-Jahresintervall tatsächlich als zu lang für eine rechtzeitigen Eingriff erweisen sollte.
Patientinnen-Information: Fünf-Jahresintervall
Der G-BA hat sich für ein organisiertes Screening entschieden – also Einladung und Information eingeschlossen. Erklärtermaßen wird er auch die Teilnahmerate, also die Auswirkung der Einladung auf ein in sechs Jahren eventuell zu änderndes Folgemodell, in die Beurteilung einbeziehen.
Das Einladungsintervall (alle fünf Jahre) ist nicht deckungsgleich mit dem Testintervall (alle drei Jahre):
- Dies ist irritierend, weil die Frauen eine Benachrichtigung für den Zeitpunkt erwarten, zu dem sie dann auch zur Früherkennung gehen können.
- Dies ist zu lang, weil die Einladung spätestens für die – dann ja auch übliche – zweite Teilnahme innerhalb eine Benachrichtigungszyklus‘ in Vergessenheit zu geraten droht.
Es steht zu erwarten, dass es den ärztlichen Praxen obliegen wird, für eine hohe und regelmäßige Teilnahme zu sorgen.
Abklärungskolposkopien: Mehr als bisher
Die Abklärungsprozesse für beide Altersgruppen sehen auch Kolposkopien bei bestimmten Ergebnissen des Primärtests vor. Es wird erwartet, dass sich die Zahl der Kolposkopien damit deutlich gegenüber den Vorjahren erhöht.
Derzeit ist die Anzahl derjenigen Ärztinnen und Ärzte noch nicht ausreichend, die für die Kolposkopie qualifiziert sind und den wachsenden Bedarf auffangen können.
Überdiagnostik: Moderne Labortechnologie einsetzen
Sowohl HPV-Infektionen als auch Läsionen bilden sich in den meisten Fällen spontan zurück. Überdiagnostik ist also im System des Gebärmutterhalskrebs-Screenings angelegt.
Um möglichst exakte Ergebnisse (richtig-positiv und richtig-negativ) zu bekommen und Frauen nicht mehr als unbedingt nötig zu beunruhigen sowie Abklärungskosten zu sparen, sollten moderne Labortechnologien, wie die sensitivere Dünnschichtzytologie und der spezifischere mRNA-HPV-Test genutzt werden.
[1] Alle Länderangaben nach Zervita: https://www.zervita.de/zervita/diagnostik-und-vorsorge/vorsorgeuntersuchung/frueherkennung
_weltweit.php?thisID=144/
[2] https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2001/oKFE-RL-2019-12-05-iK-2020-01-01.pdf
[3] https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2001/oKFE-RL-2019-12-05-iK-2020-01-01.pdf
[4] Hildesheim et al. 1999
[5] Paul-Ehrlich-Gesellschaft, s. https://www.hpv-impfleitlinie.de/leitlinie_02.html